Repository | Book | Chapter

222302

(2007) Kleist-Jahrbuch 2007, Stuttgart, Metzler.

Testfälle der Sprache

Peter Philipp Riedl

pp. 333-338

In seiner ›Italienischen Reise‹ berichtet Goethe unter dem Datum des 3. Oktober 1786 von einer öffentlichen Gerichtsverhandlung, die er während seines Aufenthalts in Venedig im Dogenpalast verfolgt hat. Zugleich fasziniert und amüsiert glaubt er einer Komödie beizuwohnen, die ihm wie inszeniert erscheint, aber doch auf eine vergnügliche Art, die jedenfalls ungleich unterhaltsamer sei als jene »Stuben- und Kanzleihockereien«, die er aus dem deutschen Gerichtswesen her kennt. Goethes Amüsement über das buffoneske Zusammenspiel von Richtern und Advokaten reibt sich freilich mit der agonalen Grundstruktur einer Gerichtsverhandlung. Gerade vor Gericht werden ja gemeinhin keine Scheingefechte ausgetragen; die juristische Auseinandersetzung gestaltet sich vielmehr als ein auch rhetorischer Schlagabtausch, in dem leidenschaftlich um Sieg und Niederlage gerungen wird. Der agonale Prozess der Entscheidungsfindung ist durch Rede und Gegenrede sprachlich organisiert und vergegenwärtigt das rhetorische Handeln als Kampf Die Rede vor Gericht ist ein Sprechakt, der wiederum eine eingehende Reflexion über die Sprache, ihre argumentativen, aber auch manipulativen Möglichkeiten und ihre Grenzen herausfordert.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-00319-5_26

Full citation:

Riedl, P. (2007)., Testfälle der Sprache, in G. Brandstetter, S. Doering & G. Blamberger (Hrsg.), Kleist-Jahrbuch 2007, Stuttgart, Metzler, pp. 333-338.

This document is unfortunately not available for download at the moment.