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222302

(2007) Kleist-Jahrbuch 2007, Stuttgart, Metzler.

Kleist liest Richardson und Adam Smith

Rüdiger Görner

pp. 289-299

Man vergegenwärtige sich diese Szene: Der fünfundzwanzigjährige Heinrich von Kleist trägt Christoph Martin Wieland, dem betagten Idyllendichter, Übersetzer und Herausgeber des ›Teutschen Merkur‹, auf dessen arkadischem Gut Oßmanstedt irgendwann im Frühjahr 1803 Teile seines explosiven, emphatisch anti-idyllischen Trauerspiels ›Tod Guiscards des Normanns‹ vor — so zumindest erinnerte Wieland den Titel des Fragments. Der gleichzeitig »überspannt« und ausnehmend »liebenswürdig« wirkende junge Gast und zunächst anonym gebliebene Autor einer ersten Tragödie, ›Die Familie Schroffenstein‹, erscheint Wieland, neben Klopstock der Grandseigneur der inzwischen kometenhaft aufgestiegenen deutschsprachigen Literatur, ›rätselhaft und geheimnisvoll‹; es verwunderte ihn an Kleist eine »seltsame Art der Zerstreuung« (LS 89);1 auf sie wird noch zurückzukommen sein. Noch nach einjährigem Abstand zu diesem poetisch-dramatischen Naturereignis, das sich da über seinem thüringischen Arkadien gewitterartig entladen hatte, urteilt Wieland darüber spürbar tief und anhaltend beeindruckt: »Wenn die Geister des Äschylos, Sophokles und Shakespeare sich vereinigen eine Tragödie zu schaffen, so würde das sein, was Kleist[] […] damals hören ließ« (LS 89).

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-00319-5_21

Full citation:

Görner, R. (2007)., Kleist liest Richardson und Adam Smith, in G. Brandstetter, S. Doering & G. Blamberger (Hrsg.), Kleist-Jahrbuch 2007, Stuttgart, Metzler, pp. 289-299.

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