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218454

(1990) Geschichte als Literatur, Stuttgart, Metzler.

Geschichte und Eigensinn

Zu Hermeneutik-Kritik und Poetik Alexander Kluges

Winfried Menninghaus

pp. 258-272

Liest man heute die theoretischen Texte Oskar Negts und Alexander Kluges, so glaubt man regelmäßig Begegnungen einer anderen Art zu haben. Formulierungen, die vor fünfzehn, teilweise noch vor zehn Jahren nicht weiter auffielen, wirken wie unbekannte Flugobjekte aus einer anderen Zeit, in der es noch Klassenkämpfe gab, in der das »Verwertungsinteresse« des Kapitals auf einen »Block proletarischer Lebensinteressen«1 stieß. Da handelt doch ein real existierendes 500-seitiges Buch von den »realen Ansätzen proletarischer Öffentlichkeit«2 und kommt gleich zu Anfang zu dem Befund: »Kämpfen die Massen gegen die um die Machtmittel der Öffentlichkeit verstärkte herrschende Klasse, so bleibt ihr Kampf aussichtslos«3. Selbst ein so einfacher und einleuchtender Satz wie »Im Ergebnis [der] Ware Öffentlichkeit verschwindet ihr Produktionsprozeß selber« katapultiert uns durch das redundante Wort selber — »verschwindet ihr Produktionsprozeß« würde es auch tun, aber es muß der »Produktionsprozeß selber«4 sein — um Lichtjahre zurück in die Theoriesprache der Studentenbewegung von 1968. Auch Begriffe wie »realistische Methode« und »materialistische Ästhetik«, die Kluge sich zu eigen gemacht hat, sind als Seminarthemen keine favourites mehr. Warum dergleichen heute so démodé wirkt, ist schwer zu sagen und selbst ein interessantes Problem: an einer grundlegenden Änderung der Realität liegt es jedenfalls kaum.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-03341-3_22

Full citation:

Menninghaus, W. (1990)., Geschichte und Eigensinn: Zu Hermeneutik-Kritik und Poetik Alexander Kluges, in H. Eggert, U. Profitlich & K. R. Scherpe (Hrsg.), Geschichte als Literatur, Stuttgart, Metzler, pp. 258-272.

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