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204264

(1978) Materialien zur Soziologie des Alltags, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Über den Umgang mit Motiven

Gregory P. Stone, Lea Hagoel

pp. 30-66

Wer sich in den Vereinigten Staaten wissenschaftlich mit der allgemeinen Problematik von Sprache beschäftigt, wird sich zwangsläufig mit den methodologischen Implikationen zu befassen haben, die aus der sog. Sapir-Whorf-Hypothese resultieren; diese Hypothese basiert auf einer Behauptung zweier amerikanischer Anthropologen mit intimer Kenntnis der Indianersprachen Amerikas und besagt, daß Sprache dem Menschen in jeder Gesellschaft als entscheidender "Wegweiser zur gesellschaftlichen Wirklichkeit" dient. Sprache vermittelt uns einerseits die analytischen Hilfsmittel, um unser Augenmerk gezielt auf bestimmte Ereignisse in der "Welt-da-draußen" zu richten (und andere außer betracht zu lassen), und andererseits die Grammatik, die Regeln für ein — uns selbstverständlich plausibel erscheinendes — (Wieder-)Zusammenfügen von (singulären) Ereignissen entsprechend den Merkmalsunterscheidungsklassen beinhaltet, die uns — in gewissem Sinne — veranlaßt haben, eine Auswahl zu treffen. Wir verweisen an dieser Stelle auf die Sapir-Whorf-Hypothese (H. Hoijer 1954, S. 92–105) nicht, um eine tiefschürfende methodologische Abhandlung einzuleiten, sondern um erstens darauf aufmerksam zu machen, wie Sprache auf unsere selektiven Rekonstruktionen nicht bloß von der Welt allgemein, sondern auch von unserer Welt, der Welt der Soziologie, Einfluß nimmt. Es ist faszinierend und verwirrend zugleich, daß obige Hypothese, so wie sie benannt ist, den Eindruck zu erwecken scheint, als ginge sie auf Edward Sapir und Benjamin Lee Whorf zurück. Nach Harry Hoijer hat sich Sapir als erster in diesem Sinne 1929 geäußert, obgleich — ebenfalls nach Hoijer — Franz Boas "ähnliche Vorstellungen, wenn auch weniger stringent formuliert, ... auf jeden Fall seit 1911" (Hoijer 1954, S. 92) vertrat. Man beachte zudem, daß er sich dabei auf Joseph H. Greenberg beruft, der im selben Band schreibt: "Es gibt eine europäische Tradition, speziell in der deutschsprechenden Welt, die auf jeden Fall bis hin zu Herder und damit bis in das späte 18. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann, die allerdings erst mit den Schriften von Humboldts umfassende Bedeutung gewann. Humboldts Wirken manifestiert sich auf dem Kontinent bei den (fast) zeitgenössischen Philosophen und Linguisten wie etwa bei Ernst Cassirer bzw. Leo Weisgerber und Jost Trier" (J. H. Greenberg 1954, S. 2).

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-83603-8_3

Full citation:

Stone, G. P. , Hagoel, L. (1978)., Über den Umgang mit Motiven, in K. Hammerich & M. Klein (Hrsg.), Materialien zur Soziologie des Alltags, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 30-66.

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