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199897

(1998) Kleist-Jahrbuch 1998, Stuttgart, Metzler.

Den Verwundeten Körper Lesen

pp. 21-36

Heinrich von Kleists letzte Erzählung ›Der Zweikampf‹ von 1811 galt in der germanistischen Forschung lange als mißratener Spätling; zu undurchdacht erschien das Verhältnis zwischen Binnen- und Rahmenhandlung — dem Gottesurteil über eine vorgebliche Liebesnacht einerseits und der gerichtlichen Klärung eines Mordfalls andererseits -, zu vieldeutig das Anliegen des Textes. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Erzählung daher auf sehr unterschiedliche Weise verstanden: Auf die Lektüre als Conte moral von wahrer Liebe und rechtem Glauben1 folgte die Würdigung als ironische Kritik an Theologie und Rechtsprechung2 und schließlich die Feier als erkenntnistheoretisches Lehrstück von der Unabschließbarkeit des Interpretierens.3 In all diesen Deutungen wurden die Kampfeswunden selbst entweder nur kursorisch verhandelt oder eher metaphorisch verstanden denn in ihrer Materialität ernst genommen. Ich hingegen werde den im Sommer 1811 entstandenen ›Zweikampf‹ entlang eben dieser Wunden interpretieren, Kleists Duelle also von ihrem Ende her untersuchen. Deshalb werde ich die Erzählung zwischen zwei andere Texte stellen, die sich ebenfalls mit Verwundungen beschäftigen, und zwar zum einen aus ästhetischer und zum anderen aus medizinischer Perspektive. Während der erste Text bei der Veröffentlichung von Kleists letzter Erzählung bereits seit 45 Jahren diskutiert wird, steht die Entstehung des zweiten von mir herangezogenen Textes noch ein Vierteljahr aus: ich meine Gotthold Ephraim Lessings ›Laokoon‹ und den im November 1811 von zwei Fachleuten verfaßten Bericht über die Obduktion des Dichters, Mörders und Selbstmörders Kleist.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-03755-8_2

Full citation:

(1998)., Den Verwundeten Körper Lesen, in , Kleist-Jahrbuch 1998, Stuttgart, Metzler, pp. 21-36.

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