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199953

(2015) Einführung in die Gedichtanalyse, Stuttgart, Metzler.

Was ist ein Gedicht?

Dieter Burdorf

pp. 1-23

Im Alltagssprachgebrauch bezeichnet ›Lyrik‹ eine literarische Gattung — meist im Gegensatz zu ›Epik‹ und ›Dramatik‹ — und ›Gedicht‹ einen Text, der zu dieser Gattung zählt, also einen ›lyrischen‹ Text. Das Attribut ›lyrisch‹ benutzen wir aber auch in einem anderen, weiteren Sinne. So ist die Bezeichnung ›lyrisches Drama‹ gebräuchlich (für handlungsarme Stücke mit wenig Personal wie etwa Hugo von Hofmannsthals Der Tor und der Tod). Außerhalb der Literatur sprechen wir von einem ›lyrischen Tenor‹ (das ist ein Tenor mit weicher, für gefühlsbetonten Gesang besonders geeigneter Stimme). Und eine ›lyrische Stimmung‹ kann sich auch außerhalb des Kunstbereichs, beispielsweise in einer idyllischen Naturumgebung, einstellen. In diesem weiten Sinne bedeutet lyrisch ›stimmungsvoll‹ oder ›gefühlsbetont‹. Selbstverständlich finden sich ›lyrische Stimmungen‹ auch in Gedichten, besonders in den sogenannten ›Stimmungsgedichten‹ der klassisch-romantischen Tradition (am ausgeprägtesten bei Clemens Brentano und Joseph von Eichendorff), aber eben nicht in allen Gedichten (beispielsweise nicht in Christian Fürchtegott Gellerts Der Held und der Reitknecht oder Gottfried Benns Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke).

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-05422-7_1

Full citation:

Burdorf, D. (2015). Was ist ein Gedicht?, in Einführung in die Gedichtanalyse, Stuttgart, Metzler, pp. 1-23.

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